19.01.2023rss_feed

Stellungnahme des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung: Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung - den Wandel gestalten!

Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten mehrere Gesetzesvorhaben zur Nutztier­haltung eingeleitet. Das Kompetenznetzwerk begrüßt, dass die Bundesregierung hier aktiv geworden ist. Allerdings sind die bisher vorgeschlagenen Maßnahmen in ihrer jeweiligen Ausgestaltung und im Zusammenwirken nicht in der Lage, den Umbau des gesamten Sektors zu bewerkstelligen. Wenn die Politik die Transformation des Sektors nicht langfristig und umfassend gestaltet, sondern sich vor allem auf die Weiterentwicklung von Ordnungsrecht und Kennzeichnung beschränkt, wird Tierhaltung in Länder mit geringeren Anforderungen verlagert und der inländische Konsum zunehmend durch Importe gedeckt. Wichtige Ziele der Bundesregierung würden so nicht erreicht. Die landwirtschaftlichen Betriebe benötigen eine klare Orientierung, wie Deutschland seine Nutztierhaltung entwickeln will, und dazu passen­de und verlässliche Politikmaßnahmen. Daher unterbreitet das Kompetenznetzwerk nach­folgend Vorschläge zur Verbesserung einzelner Gesetzesvorhaben und mahnt erneut eine kohärente Gesamtstrategie für den Nutztiersektor an.
1. Kernfrage: Wie soll die Nutztierhaltung der Zukunft aussehen?

Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung hat der damaligen Bundesregierung im Februar 2020 ein Konzept unterbreitet, das auf ein klar definiertes Tierwohlziel ausgerichtet war: Die gesamte deutsche Nutztierhaltung sollte bis 2040 ein Tierwohlniveau erreicht haben, welches deutlich oberhalb des gegenwärtigen Durchschnittsniveau liegt und im Einklang mit den gesellschaftlichen Erwartungen sowie den wissenschaftlichen Erkenntnissen steht.

Zur Frage, welchen Umfang der deutsche Nutztiersektor im Jahr 2040 haben wird, hat das Kompetenznetzwerk damals nicht explizit Stellung genommen. Das Kompetenznetzwerk unterstützt die diesbezüglichen Äußerungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und würde bei einer Fortsetzung seiner Arbeit auch zu dieser Frage Konkretisierungsvorschläge unterbreiten. Eine Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland und ein damit einhergehender Anstieg der Importe tierischer Lebensmittel sollte verhindert werden, denn eine solche Verlagerung dient weder den tierschutz- noch den klimapolitischen Zielen, die wir verfolgen.

Ein Großteil der Verbraucher orientiert sich beim Einkauf von Lebensmitteln vorrangig am Preis. Viele Verbraucher sind zur Zahlung eines (allerdings nur kleinen) Aufpreises für ein höheres Tierwohl bereit, und eine kleine Gruppe von Verbrauchern zahlt hohe Preisaufschläge und erhält dafür wesentlich höhere Tierwohlstandards. Der Nutztiersektor hat entsprechende Marktsegmente entwickelt. Eine Konzentration auf Kennzeichnung und Ordnungsrecht wird hieran im Grundsatz nichts ändern, sondern allenfalls die Anteile der Marktsegmente ein wenig verschieben.

Die Kernfrage einer politischen Nutztierstrategie lautet deshalb: Will sich die deutsche Bevöl­kerung dauerhaft mit der Koexistenz eines (relativ kleinen) Tierwohl-Marktsegments (inklu­sive Biofleisch) und eines (relativ großen) Standard-Marktsegments, welches durch den inter­nationalen Kostendruck und das preisorientierte Kaufverhalten der Verbraucher geprägt ist, zufriedengeben? Das Kompetenznetzwerk ist der Auffassung, dass die gesamte Nutztierhal­tung schrittweise auf ein erhöhtes Tierwohlniveau geführt werden sollte.

Klarheit in dieser Frage benötigen insbesondere jene Landwirtinnen und Landwirte, die mit ihren Investitionen von heute die Tierhaltung von morgen schaffen sollen. Die gesellschaftlich erwünschten Haltungssysteme entstehen nicht von selbst, sondern setzen voraus, dass viele landwirtschaftliche Betriebe Investitionen in Millionenhöhe tätigen. Wenn ein Betrieb in einen Tierwohlstall investiert, legt er sich für zwei oder drei Jahrzehnte auf ein Haltungssystem fest, dessen Produktionskosten deutlich über dem international maßgeblichen Kostenniveau lie­gen.

Manche Landwirte tun das bereits jetzt, weil sie auf hohe Preise in einer kleinen Marktnische setzen. Diese Rechnung geht auf, solange das Marktsegment klein bleibt und entsprechend hohe Zahlungsbereitschaft mobilisiert werden kann. Wenn unsere Gesellschaft aber den gesamten Sektor auf ein hohes Tierwohlniveau bringen möchte und die Erzeugung von Tier­wohlprodukten somit aus der bisherigen Marktnische herausgeführt wird, werden sich hohe Preisaufschläge für Tierwohl im Markt nicht länger durchsetzen lassen. Ein Wandel in diesem Ausmaß wird nur zustande kommen, wenn der Staat den umstellungswilligen Landwirten ein hinreichendes Maß an finanzieller Unterstützung und Planungssicherheit bietet.


2. Verbesserung der aktuellen Gesetzesvorschläge

Die bisher vorgelegten Gesetzentwürfe und Eckpunktepapiere der Bundesregierung sind nach Auffassung des Kompetenznetzwerks nicht in der Lage, den Umbau des gesamten Nutztier­sektors zu bewerkstelligen. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf jene Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge, die im Hinblick auf das Gesamtziel der sektoralen Transformation besonders erfolgskritisch sind.


2.1 Geplantes Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung

Das BMEL hat Anfang Dezember Eckpunkte für ein Bundesprogramm vorgelegt, wobei eine Ressortabstimmung noch aussteht. Aus Sicht des Kompetenznetzwerks sind im vorgelegten Entwurf insbesondere wesentliche Modalitäten der Tierwohlprämie (Ausgleich der laufenden Mehrkosten) unzureichend. Das ist insofern bedeutsam, als die Tierwohlprämie der ökono­mische Dreh- und Angelpunkt für eine gelingende Transformation des Nutztiersektors ist.

Nach den Vorschlägen des BMEL sollen nur 65 Prozent der tierwohlbedingten Mehrkosten ausgeglichen werden, und die Prämie soll bei 3.000 erzeugten Mastschweinen bzw. 200 Sauen pro Jahr und Betrieb gedeckelt werden. Außerdem werden Vertragslaufzeiten von 10 Jahren angestrebt, wobei es hierzu in der Ampelkoalition offenbar noch kontroverse Diskussionen gibt. Zu diesen Bedingungen wird sich ein Großteil der schweinehaltenden Betriebe nicht darauf einlassen, einen Tierwohlstall zu bauen. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung empfiehlt deshalb für den Ausgleich der laufenden Mehrkosten:

  • Den Landwirten sollten rechtssichere Verträge über einen Förderzeitraum von 20 Jahren (analog zum EEG) angeboten werden, damit sie ausreichende Planungssicherheit für die betriebswirtschaftlich erforderliche Abschreibungszeit erhalten. EU-rechtlich mögliche Vertragslaufzeiten sind hierfür auszuschöpfen.
  • Der Förderbetrag sollte zunächst auf 80-90 Prozent der Mehrkosten festgesetzt werden. Die Verträge sollten eine Revisionsklausel enthalten, die bei einer relevanten Veränderung der Rahmenbedingungen zu einer Anhebung oder Senkung des Förderbetrags führen kann.
  • Sofern die Politik mit strikten Größenbegrenzungen arbeiten möchte, sollten die Werte so festgesetzt werden, dass der Großteil der Schweinebestände in das Programm einbezogen werden kann. Alternativ ist zu erwägen, anstelle einer strikten Größenbegrenzung eine größenabhängige Degression der Zahlungen vorzunehmen. Eine strikte Deckelung des Förderbetrags ist prinzipiell fragwürdig, weil auch größere Betriebe sehr gut in der Lage sind, ein hohes Tierwohlniveau zu gewährleisten, und weil solche Regelungen zumeist durch formale Betriebsteilungen umgangen werden.
  • Den teilnehmenden Betrieben sollte zugestanden werden, dass sie die Anforderungen hinsichtlich intakter Ringelschwänze schrittweise erfüllen. Die Einhaltung hoher Ringel­schwanz-Anforderungen ist nicht nur eine Frage des Haltungssystems, sondern erfordert auch Anpassungen und Lernschritte in den Vorstufen der Mast (Sauenhaltung und Ferkel­aufzucht) sowie anderen Bereichen (Management, Fütterung, Genetik).

Bezüglich der Investitionsförderung stellt sich die Frage, weshalb diese überhaupt in das Bundesprogramm aufgenommen wird und nicht, wie sonst üblich und bewährt, im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) durchgeführt wird. Durch die Aufnahme in das Bundesprogramm wird die Finanzmasse, die für die Tierwohlprämie verbleibt, stark begrenzt. Die so erzeugte Finanz­knappheit dient als Argument, die Konditionen für die Tierwohlprämie wenig attraktiv zu gestalten (siehe oben).

Das Kompetenznetzwerk unterstreicht noch einmal die besondere Bedeutung, die die vertraglich abgesicherten, laufenden Zahlungen für den Umbau der Nutztierhaltung haben. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit dem Bundesprogramm nun einen Einstieg in diese Förderung findet. Die finanzielle Grundlage für diese Maßnahmen sollte rasch erweitert werden, um mehr umstellungswillige Betriebe unterstützen und weitere Tierarten einbeziehen zu können.

Das Kompetenznetzwerk regt darüber hinaus an, das Bundesprogramm inhaltlich weiter­zuentwickeln. Das Gesamtziel der Transformation der Tierhaltung ist die deutliche Erhöhung des Tierwohlniveaus in Deutschland. Um das Erreichen dieses Ziels transparent und glaub­würdig abbilden zu können, reichen die bisherigen, ganz überwiegend ressourcenbezogenen Kriterien für die Tierhaltung nicht aus. Zumindest perspektivisch sollten weitere tierbezogene Kriterien aufgenommen werden, die für eine Förderung der laufenden Mehrkosten einge­halten werden müssen.


2.2 Geplante Anpassung des Baurechts

Die Bundesregierung plant ein Gesetz zur Erleichterung der baulichen Anpassung von Tierhal­tungsanlagen an die Anforderungen des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes, mit dem insbesondere die baurechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung bestimmter Ställe mit Außenklimakontakt oder Auslauf verbessert werden sollen.

Auch für dieses Gesetzesvorhaben gilt, dass es an sich zu begrüßen und für eine gelingende Tierwohlpolitik unabdingbar ist. Der am 14.11.2022 vorgelegte Entwurf sollte aber nachgebes­sert werden. Der Entwurf sieht vor, die Option eines Rückbaus einer alten Stallanlage mit der Absicht, einen modernen tier- und umweltgerechteren Neubau zu errichten, an die baugesetz­liche Bedingung zu knüpfen, dass dieser Neubau an exakt gleicher Stelle zu erfolgen hat. Die Landwirte müssten somit von einem totalen Einkommensverlust für die Dauer der Bauphase ausgehen, was die Bereitschaft zur Mitwirkung am Tierwohl-Transformationsprozess erheb­lich einschränken dürfte. Hier sollte die räumliche Flexibilität erhöht werden: Eine Baumaß­nahme sollte an einem anderen Standort zulässig sein unter der Voraussetzung, dass nach Fertigstellung des Neubaus die Grundfläche des Altbaus entsiegelt oder eine Umnutzung des Gebäudes genehmigt wird.

Zahlreiche Betriebe sind für ihre Tierwohl-Investitionen außerdem darauf angewiesen, dass neben den geplanten Änderungen im Baurecht auch kongruente Anpassungen in weiteren Rechtsbereichen vorgenommen werden (vor allem TA Luft).


2.3 Geplantes Tierhaltungskennzeichnungsgesetz

Die geplante Haltungskennzeichnung von tierischen Lebensmitteln soll Auskunft über die Art und Weise der Tierhaltung geben. Die Kennzeichnung deckt den Nutztiersektor vorerst nur zu einem kleinen Teil ab (nur Frischfleisch von Mastschweinen), außerdem verzichtet sie auf eine farblich-interpretative Einordnung (Ampel), auf die Einbeziehung von tierbezogenen Krite­rien (z.B. Tiergesundheitsindex) und auf wichtige Anforderungen tiergerechter Haltung (z.B. Einstreu in den anspruchsvolleren Haltungsformen). Es handelt sich ausdrücklich um eine Tier­haltungs- und nicht um eine Tierwohlkennzeichnung.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Lebensmittel aus Tieren unterschiedlicher Haltungsformen oder Tierarten mit Prozent-Angaben je Haltungsform bzw. Tierart gekennzeichnet werden müssen, und zwar für jede einzelne Packung. Das wird für die Verarbeitungsbetriebe nicht zu leisten sein, ist außerdem nicht zuverlässig kontrollierbar und macht das System fehleranfällig. Bezüglich der Importware ist vorgesehen, dass lediglich in einer Fußzeile der Anteil nicht kenn­zeichnungspflichtiger Ware anzugeben ist, ohne dass dadurch die Auszeichnung mit höheren Haltungsformen ausgeschlossen wird. Auf diese Weise wird für die Verbraucher ein höheres Tierwohl suggeriert als das Produkt tatsächlich hergibt, was es wiederum für Handels- und Verarbeitungsbetriebe wirtschaftlich interessant macht, zunehmend auf Importware auszuweichen. Hinzu kommt, dass die Handels- und Verarbeitungsbetriebe nach bisherigem Beratungsstand keine Möglichkeit zum downgrading haben sollen (z. B. Verkauf von Außen­klimastall-Ware als Stall-Ware). Das erschwert die Vermarktung von Teilstücken aus den Stufen 3 bis 5, weil hier durchgehend eine teure Marktsegmentierung organisiert werden muss, und birgt das Risiko erhöhter Lebensmittelverluste.

Dieses Problembündel ergibt sich letztlich aus der politischen Vorgabe obligatorische natio­nale Haltungskennzeichnung. Eine einfache Lösung gibt es nicht, sondern nur die Empfeh­lung, sich (a) mit größtem Nachdruck für eine EU-weite Regelung analog der deutschen Regelung einzusetzen und (b) bis dahin auf nationaler Ebene den verträglichsten Kompromiss anzustreben. Hierzu empfiehlt das Kompetenznetzwerk, die Kennzeichnung auf Basis von Mindestanteilen bzw. Schwellenwerten durchzuführen und die Möglichkeit des Downgrading einzuräumen. Verbraucher, die Fleisch aus niedrigeren Haltungsstufen kaufen, tun dies in aller Regel aufgrund des niedrigeren Preises und nicht etwa, weil sie Tierwohl prinzipiell für unwichtig halten. Insofern dürfte das Wohlbefinden dieser Menschen nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigt sein, wenn diese Produkte auch einen gewissen Anteil an Fleisch aus Tierwohlställen enthalten.

In der aktuellen Form wird die staatliche Haltungskennzeichnung die schon bestehenden Tierschutzkennzeichnungen oder -label der Wirtschaft und des Handels (Haltungsformkenn­zeichnung) oder des Deutschen Tierschutzbundes nicht ersetzen können. Angesichts des bestehenden Labeldschungels wäre die erstbeste Lösung gewiss eine einzige, verbindliche, in Stufen erfolgende und EU-weit umgesetzte Tierwohlkennzeichnung (im Unterschied zur Tierhaltungskennzeichnung). Solange die staatliche Kennzeichnung dies aber nicht leisten kann, muss eine Koexistenz mit bestehenden privatwirtschaftlichen Kennzeichnungssystemen angestrebt werden.


3. Gesamtbewertung und Ausblick

Wenn wir diese drei Gesetzesinitiativen insbesondere aus der Perspektive von Junglandwirten betrachten, die mit ihren Investitionen die Transformation des Nutztiersektors möglich machen sollen, ist deren Frustration verständlich. Aus ihrer Sicht fügen sich die geplanten Politikmaßnahmen noch nicht zu einem Gesamtwerk zusammen, welches zum Umbau einlädt und ausreichende Planungssicherheit gibt. Das betrifft die einzelnen Maßnahmenpakete, aber auch die Gesamt-Kommunikation: Wohin soll die Reise für den deutschen Nutztiersektor gehen, und wer sitzt am Steuer und übernimmt die Verantwortung für einen verlässlichen Zukunftskurs?

Um zu einer Nutztierstrategie aus einem Guss zu gelangen, bedarf es außerdem einer engeren Abstimmung mit den bereits bestehenden Tierwohlinitiativen. In der Initiative Tierwohl, aber auch in verschiedenen Labelprogrammen haben sich die Wirtschaftsbeteiligten entlang der Lebensmittelkette zusammengeschlossen, um unterschiedlich hohe Tierwohlanforderungen vom Hof bis zur Ladentheke umzusetzen. Die hier etablierten Organisationsstrukturen könn­ten insbesondere bei Kontrolle und Auditierung genutzt und gemeinsam weiterentwickelt werden (auch hinsichtlich der Erweiterung des Anforderungskatalogs), um das ambitionierte Ziel der sektoralen Transformation schnell und flächendeckend in Angriff zu nehmen und abzusichern.

Die Transformation der Nutztierhaltung unter den Bedingungen offener Märkte ist eine große Herausforderung, die sich mit herkömmlichen Politikkonzepten nicht bewältigen lässt. Die Vorschläge, die das Kompetenznetzwerk 2020 erarbeitet hat, haben einen gangbaren Weg aus dem Dilemma gewiesen. Noch im gleichen Jahr haben sowohl die meisten einschlägigen Wirt­schaftsverbände als auch die meisten Umwelt- und Tierschutzverbände den Bundestag aufge­fordert, den vorgezeichneten Transformationsplan umzusetzen. Einen breiteren Zuspruch hat es in der Geschichte der deutschen Agrarpolitik wohl noch nie gegeben.

Selbstverständlich hat das Kompetenznetzwerk sich auch die Frage gestellt, ob die Empfeh­lungen des Jahres 2020 in der neuen geopolitischen Lage des Jahres 2023 noch tragfähig sind. Aus unserer Sicht braucht das Ziel nicht revidiert zu werden. Allerdings ergibt sich schon aus den bisherigen Verzögerungen eine zeitliche Streckung, so dass in den nächsten zwei bis drei Jahren keine zusätzlichen Belastungen für die Bevölkerung ausgelöst werden. Die inzwischen bereits zugesagten Finanzmittel werden bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode aus­reichen, um die Tierwohlprämie für schweinehaltende Betriebe der Stufen Außenklima (Frischluft), Auslauf und Bio zu finanzieren, denn aufgrund der genehmigungsrechtlichen Herausforderungen werden in der Anfangsphase der Umsetzung der Nutztierstrategie nur wenige Betriebe neu in die höchsten Tierwohlklassen aufsteigen. Wichtig ist, jetzt die nächsten Schritte entlang einer überzeugenden Transformationsstrategie zu gehen, die entsprechenden Politikmaßnahmen für die Schweinehaltung konkret umzusetzen und dann auch die anderen Nutztierarten zügig einzubeziehen.

Sofern die Bundesregierung eine umfassende Transformation des Nutztiersektors anstrebt und die Einführung langfristiger, verlässlicher und ausreichend bemessener staatlicher Tier­wohlprämien beschließt, steht das Kompetenznetzwerk nach wie vor bereit, sie bei der Weiterentwicklung der Gesamtstrategie und bei der Vorbereitung einzelner Gesetzesvorha­ben fachlich zu unterstützen.


Was ist das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung?

Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung wurde 2019 eingerichtet. Es wird nach seinem Vorsitzenden, Bundeslandwirtschaftsminister a.D. Jochen Borchert, auch Borchert-Kommission genannt. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung ist ein übergeordnetes BMEL-Beratungsgremium, das Entscheidungsträger und Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Praxis, Wirtschaft und Verbänden an einem Tisch bringt und aktuelle Herausforderungen der Nutztierhaltung analysiert. Das Kompetenznetzwerk erarbeitet Ziele zur Verbesserung des Tierwohls und entwickelt Vorschläge zur Umsetzung der Nutztierstrategie des BMEL. Es hat seit seiner Berufung durch das BMEL in zahlreichen Arbeitsgruppensitzungen Empfehlungen für eine Transformation der Tierhaltung in Deutschland erarbeitet. Parallel wurden Finanzierungs- und Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben.

Das Kompetenznetzwerk hatte mit Beschluss vom September 2022 an die Ampelkoalition appelliert, zügig eine Einigung bezüglich der Einführung langfristiger und verlässlicher staatlicher Tierwohlprämien herbeizuführen. Das ist bis heute nicht passiert.



Dr. Nora Hammer: Anhörung im Agrarausschuss zum Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes am 16. Januar 2023

Weitere Folgen des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes für die Schweinehaltung in Deutschland werden in den mehr als 30 Stellungnahmen zu dem Gesetzesentwurf skizziert. Sie stehen zum Download auf der Internetseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Verfügung.

Die BRS-Stellungnahme finden Sie hier. Die BRS-Pressemeldung hier.

 

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft befasste sich am Montag, 16. Januar 2023, mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung für eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung (Mediathek). Sieben Experten waren geladen. Ihnen gehen die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug.