Nur wer vorbeugend aktiv ist, kann beim Thema Klauengesundheit entstehende Einbußen in Tierwohl und -gesundheit und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Verluste (Milchleistung / Fruchtbarkeit / Abgänge) reduzieren. Neben züchterischen Maßnahmen, gehören hier leistungsgerechte Fütterung aber auch die Früherkennung von Lahmheiten und der regelmäßige Klauenschnitt zu wichtigen Maßnahmen, bei denen Sie Ihr Fachberater oder Tierarzt ünterstützen können.
Genetik
Die Auswahl einer geeigneten Genetik legt einen entscheidenden Grundstein. Zu beachten ist die optimale Gliedmaßenstellung, Klauengröße und -form, Trachtenhöhe. Gleichzeitig kann eine gute züchterische Anpaarung nicht die Fehler in der Aufzucht oder vernachlässigter Klauenkorrektur gänzlich aufheben.
- Zuchtwertschätzung (Bundesverband Rind und Schwein)
- Gesundheitszuchtwerte in der Holsteinzucht (Netzwerk Fokus Tierwohl)
Wiederkäuer müssen Leistungsgerecht gefüttert werden. Zu wenig Grundfutter aber auch nicht angepasstes Leistungsfutter können die Kuh in Mangelsituationen bringen oder zu Entgleisungen des Stoffwechsels führen. Lahmheit kann dabei die Standzeit am Futtertrog reduzieren aber auch durch bestimmte Mangelsituationen begünstigt werden.
Futterangebot und -aufnahme, Kraft- und Raufutter
Zur Vorbeugung von Stoffwechselentgleisungen muss Milchkühen eine wiederkäuergerechte, dem Leistungsniveau angepasste Fütterung vorgelegt werden. Um die Tiere optimal zu versorgen, bedarf es an hochqualitativen, schmackhaften Grundfuttermittel (Heu, Silagen) mit möglicher Ergänzung von Kraft- und Mineralfuttermitteln, sowie einer ausreichenden Wasserversorgung.
Body Condition Score (BCS)
Die regelmäßige Überwachung und Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen ist ein wichtiger Bestandteil der Tiergesundheit. Eine Möglichkeit, die Körperkondition von Milchkühen zu bewerten, ist der sogenannte Body Condition Score (BCS). Der BCS ist eine Methode, die auf der visuellen und manuellen Beurteilung des Körperzustands der Kühe basiert und anhand eines Skalenwertes bewertet wird. Durch regelmäßige BCS-Beurteilungen können Landwirte und Tierärzte feststellen, ob die Kühe leistungsgerecht gefüttert werden.
- BCS Beurteilen - so geht's (MIlchpraxis)
Haltungssysteme und Bodenbeschaffenheit
Die Klauengesundheit ist multifaktoriell bedingt und kann ein Spiegelbild der komplexen Zusammenhänge verschiedener Aspekte sein. Dabei kann das Haltungssystem viele auslösende Faktoren von Klauenproblemen in sich tragen. Neben der Beschaffenheit der Liege- und Verkehrsflächen, der Art und Qualität der Bodenoberfläche, Bewegungsmöglichkeiten, Stall- und Weidehaltung und dem Tier-(Liege)Platz-Verhältnis sind die hygienischen Voraussetzungen und das Klima von Bedeutung.
Für eine optimale Krankheitsvorbeugung sorgt beispielsweise ein weicher, trockener Untergrund für eine gleichmäßige Belastung der Klaue; durch geeignete und ausreichende Liegemöglichkeiten ruht die Kuh ausreichend, sodass die Klauen entlastet sind und abtrocknen können.
- Beton- oder Gummiboden (agrarheute)
- Klauengesundheit im überbelegten Stall (agrarheute)
- Gesunde Klauen - gesunde Kühe (Milchpur)
Stallhygiene:
Unzureichende Hygiene im Stall und bei den Tieren begünstigt Klauenerkrankungen, deshalb ist eine Reduktion der Erreger im Stall sehr wichtig. Außerdem sollten weitere Risikofaktoren für Klauenerkrankungen wie Liegeboxen, Laufflächen, Fressplatzgestaltung und Fütterungsmanagement optimiert werden.
- Risikofaktoren im Stall (KLAUENfitnet2.0)
Klauenpflege und Materialhygiene (insbesondere Klauenmesser):
Der fachgerechte und hygienische Umgang mit den Materialien der Klauenpflege soll u.a. die Übertragung von infektiösen Klauenerkrankungen wie Mortellaro verhindern. Die Zwischendesinfektion der Klauenmesser ist dabei nur eine mögliche Maßnahme. Allgemeine Maßnahmen zur Biosicherheit sollten grundsätzliche beachtet werden.
- Biosicherheitsempfehlung für Klauenpfleger (Universität Bern)
Betriebshygiene (Transfer von Erregern z.B. durch Personenverkehr):
Sowohl interne als auch externe Biosicherheitsmaßnahmen in rinderhaltenden Betrieben können Klauenerkrankungen verhindern und somit die Klauengesundheit verbessern.
- Biosicherheitsmaßnahmen in der Rinderhaltung (LGL Bayern, abgerufen am 01.10.2014)
Die erste Klauenpflege eines Rindes sollte im Alter der Zuchtreife durchgeführt werden. Spätestens 8 Wochen vor der ersten Abkalbung, um den Rindern einen optimalen Start in die erste Laktation zu geben.
Pflegeintervall
Die regelmäßige Klauenpflege ist eine der wichtigsten Maßnahme zur Reduktion von Klauenerkrankungen auf dem Betrieb. Als Faustzahl gilt 2-3 Mal jährlich. Zur Wahl des korrekten Zeitpunktes ist es sinnvoll, dass die Tiere gepflegt werden, die sich momentan nicht in einer körperlich gestressten
Situation befinden. Gute Zeipunkte sind zum Beispiel: frischlaktierende Kühe zwischen dem 100. bis 150. Laktationstag und Kühe zum Trockenstellen. Problemtiere sind häufiger einer Klauenpflege zu unterziehen.
- Klauenpflege: Das müssen Sie wissen (agrarheute)
Qualität der Pflege
Versteht man die anatomischen Strukturen der Klaue und deren Druckverhältnisse wird klar wie wichtig die funktionelle Klauenpflege ist. Die funktionelle Klauenpflege bietet mit ihrem strukturierten Vorgehen in 5 Schritten die Möglichkeit für Klauenpfleger aber auch für Landwirte und Tierärzte Klauen optimal und fachgerecht zu pflegen. Wichtig ist hierbei auch die Dokumentation der gefundenen Defekte und durchgeführten Maßnahmen um Überblick über die Bestandssituation zu erhalten.
- Anatomie der Klaue (KLAUENfitnet2.0)
- Die funktionelle Klauenpflege (KLAUENfitnet2.0)
Wiederkäuer sind Herden- und Fluchttiere und haben sich somit über jahrtausende daran angepasst, ihre Krankheitssymptome zu maskieren, um möglichen Fressfeinden zu entgehen. Oft bemerken wir ihre Erkrankungen deswegen erst dann, wenn sie bereits fortgeschritten sind. Um die notwendigen medizinischen Maßnahmen und wirtschaftlichen Einbußen so gering wie möglich zu halten, ist die Früherkennung von Lahmheiten essenzieller Bestandteil des Betriebsmanagements. Diese sollte stets losgekoppelt von anderen Tätigkeiten erfolgen, um sich auf das Tier fokussieren zu können und so bereits kleine Veränderungen zu erkennen und einzugreifen.
- Früherkennung von Lahmheiten (Netzwerk Fokus Tierwohl)
Bewegungsscoring
Das Bewegungsscoring befasst sich mit der Analyse des Gang - und Standbildes der Kuh. Schwere Lahmheiten sind oft leicht zu erkennen, da ein Bein sehr deutlich unvollständig oder vollständig entlastet wird. Durch das Beurteilen der Rückenlinie aber auch die Bewegung des Kopfes (sog. Kopfnicken
), ein Kippen/Fallen auf eines oder mehrere Beine im Gang oder wie die Kuh die Klaue auf dem Boden absetzt, kann ein geschulter Untersucher aber auch frühere, weniger schlimme Stadien von Lahmheiten erkennen und eine frühzeitige Behandlung einleiten.
Es gibt verschiedene Scoringsysteme mit Vor- und Nachteilen. Ein häufig verwendetes System ist der Locomotion Score
nach Sprecher. Wichtig ist, dass alle Anwender auf einem Betrieb denselben Score verwenden und dass regelmäßig zusammen Kühe bewertet werden, um einhetliche Bewertungskriterien zu gewährleisten.
Die Ergbenisse des Scorings können auch genutzt werden, um Aussagen über den Herdenstatus zu treffen und mögliche Änderungen am Betriebsmanagement vorzunehmen oder Bestandsprobleme zu erkennen.
Eine Überprüfung des Lahmheitsscores sollte 2 mal im Monat auch bei nicht melkenden Fersen / Jungrindern erfolgen.
Erfahren Sie hier mehr über Scoring Systeme:
- Beurteilungsleitfaden für Lahmheiten und Sprunggelenksveränderungen und Verschmutzungen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz)
- Anleitung zur Bewegungsbeurteilung (KLAUENfitnet2.0)
- Erhebungsleitfaden für Milchkühe (Thünen-Institut)
Automatisierte Lahmheitserkennung
Mit voranschreitender technischer Entwicklung wird auch die Lahmheitserkennung automatisiert. Generell unterscheidet man in diesem sehr jungen Feld kinematische (die Bewegung der Kuh analysierende), kinetische (die aufgebrachte Energie /Kraft analysierende) oder indirekte (Auswertung der Futteraufnahme, Milchleistung oder Messung von Wärmeentwicklung am betroffenen Bein) Methoden, die einzeln oder in Kombination eingesetzt werden. Bei der Umsetzung kommen unter anderem Kameras, Radar, Druckplatten und Pedometer zum Einsatz. Automatisierte Systeme finden noch keine großflächige Verbreitung in der Landwirtschaft, werden aber intensiv erforscht. Solche Systeme helfen, den Menschen bei der Arbeit zu entlasten, sollten aber nicht als Ersatz für diese Arbeit gesehen werden. Die menschliche Kontrolle der Tiere und Überprüfung der Meldungen des System müssen weiterhin erfolgen.
Tierärztliche Einbindung
Ihr Tierarzt ist ausgebildet in der frühzeitigen Erkennung von Lahmheiten und wird Sie unterstützen, wenn es um die Implementierung von Lahmheitserkennung in den Betriebsablauf, die Auswertung von Lahmheitsdaten oder die Behebung eines Lahmheitsproblems geht.